Deutsche Gesellschaft für Ökonomische Bildung

"Gelingensbedingungen und Gestaltungsprinzipien für die Inklusive Übungsfirma 4.0: Eine Blaupause für die »Digital Entrepreneurship Education«?"

16.03.21 17:35 (Thomas Retzmann, Cennet Yilmaz, Universität Duisburg-Essen)

Anders als von EBBERS/HALBFAS (2006) seinerzeit inauguriert ist die kaufmännische Übungsfirma – zumindest in ihrer derzeit überwiegenden Praxis – gewiss keine herausstechende Methode der Entrepreneurship Education. Wohl dagegen wird dieses Lehr-Lernarrangement, dessen Tradition bis in die hanseatischen Übungskontore zurückreicht, seit langem erfolgreich für die kaufmännische, also die ökonomische, administrative und wirtschaftsrechtliche Qualifizierung von Menschen mit Behin-derungen und Beeinträchtigungen genutzt.
Die klassische, stationäre Übungsfirma (siehe unter anderem Greimel-Fuhrmann 1998, Tramm 1996) wurde nun in einem geförderten Projekt1 zur cloud- und webbasierten Übungsfirma 4.0 weiterentwi-ckelt, die zugleich unter dem Anspruch der Inklusion steht: Menschen mit und ohne Behinderungen sollen unter Nutzung der didaktischen Potenziale, die die Digitalisierung bietet, im gemeinsamen Lernen kaufmännisch qualifiziert werden (vgl. RETZMANN/ YILMAZ 2019). Das Lernen und Arbeiten in der Übungsfirma 4.0 bereitet nicht zuletzt durch digital gestützte Lehr-Lernprozesse auf digital gestützte Arbeitsprozesse in der Arbeitswelt 4.0 vor.
Da auch die ökonomische Bildung infolge der UN-Behindertenrechtskonvention immer mehr vor der Herausforderung des gemeinsamen Lernens steht (WIEBCKE 2018) und sich zugleich angesichts des gesellschaftlichen Megatrends der Digitalisierung auch didaktisch-methodisch fortentwickeln muss, wird der Frage nachgegangen, ob diese methodische Weiterentwicklung für die ökonomische Bildung Vorbildcharakter haben könnte und deren Evaluation transferfähige Erkenntnisse zu den Gelingens-bedingungen und Gestaltungsprinzipien bietet, auf denen zum Beispiel in der Digital Entrepreneu-rship Education aufgebaut werden kann.
Forschungsansatz: Design-Based-Research
Die wissenschaftliche Begleitforschung zur Inklusiven Übungsfirma 4.0 orientiert sich am Ansatz des Design-Based-Research (unter anderem EULER 2014), der für die fachdidaktische Entwicklungs- und Gestaltungsforschung als besonders geeignet gilt. In einem zweimaligen, iterativen Design- und Erprobungszyklus von jeweils ca. 9 Monaten Dauer wurde beziehungsweise wird der Prototyp in verschiedenen Bildungseinrichtungen bundesweit eingesetzt und wissenschaftlich evaluiert. Dabei kamen sowohl qualitative als auch quantitative Methoden und Instrumente zum Einsatz: Zum einen Leitfadeninterviews mit Lernenden und Lernbegleitern vor Ort sowie der zentralen Übungsfirmen-leitung, die mittels qualitativer Inhaltsanalyse ausgewertet wurden und werden; zum anderen eine User Experience-Evaluation mittels einer weitverbreiteten Skala („AttraktDiff“).
Diskussion: Verallgemeinerbare Gelingensbedingungen und Gestaltungsprinzipien
Die Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitforschung wurden zu Gelingensbedingungen sowie Gestaltungsprinzipien für die inklusive kaufmännische Bildung in der innovativen, virtuellen Lehr-Lernumgebung ausgearbeitet. Mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Tagung soll abschlie-ßend diskutiert werden, ob die für die inklusive Übungsfirma 4.0 ermittelten Gelingensbedingungen und die in einem Prozess der Verallgemeinerung aufgestellten Gestaltungsprinzipien transferierbar und somit gegebenenfalls auch auf methodische Settings wie beispielsweise ein inklusives, virtuelles Schülerunternehmen übertragbar sind.
Prof. Dr. Thomas Retzmann und M. Sc. Cennet Yilmaz
1 BMBF- und ESF-Finanzierung; Förderkennzeichen Universität Duisburg-Essen: 01PE18003B

 

 

Literatur:

 

Ebbers, Ilona & Halbfas, Brigitte (2006). Der methodische Dreischritt “Lernbüro, Übungsfirma und Juniorenfirma” als didaktisches Konzept in der Entrepreneurship Education. Berufs- und Wirtschaftspädagogik online (10), 1-11.

 

Euler, Dieter (2014). Design-Research – a paradigm under development. In D. Euler & P. F. E. Sloane (Hrsg.), Design-Based Research. Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik Beiheft, (27), 15-44. Stuttgart: Franz Steiner
Verlag.

 

Greimel-Fuhrmann, Bettina (1998): Evaluation österreichischer Übungsfirmen. Eine Studie an berufsbildenden Vollzeitschulen. Innovationen in der Berufsbildung, Bd. 1. Innsbruck

 

Retzmann, Thomas & Yilmaz, Cennet (2019): Die inklusive virtuelle Übungsfirma: Ein innovatives Lehr-Lernarrangement an der Schnittstelle von Digitalisierung und Inklusion. In: Die Berufliche Rehabilitation – Zeitschrift zur beruflichen und sozialen Teilhabe. Heft 3/2019, S. 199-208

Tramm, Tade (1996): Lernprozesse in der Übungsfirma. Rekonstruktion und Weiterentwicklung schulischer Übungsfirmenarbeit als Anwendungsfall einer evaluativ-konstruktiven und handlungsorientierten Curriculumstrategie. Göttingen.

 

Wiepcke, Claudia (2018): Inklusion und ökonomische Bildung – Entwicklung eines Designs unter Berücksichtigung von Lebens- und Alltagssituationen von Personen mit Teilhabeerschwernissen. In: Zeitschrift für ökonomische Bildung, Ausgabe 7, 1-25.
Einreichung für die DeGÖB-Tagung 2021. Einreichungsformat: Abschlusspräsentation. Zuzuordnen der AG: Ökonomische Bildung in einer Digitalen Welt